Die Schule fördert die Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund durch den Unterricht in der Herkunftssprache. Ca. 106.000 Schülerinnen und Schüler nehmen in Nordrhein-Westfalen im Schuljahr 2004/2005 daran teil. Das Angebot erstreckt sich derzeit auf 19 Sprachen: Albanisch, Arabisch, Bosnisch, Farsi, Griechisch, Italienisch, Koreanisch, Kroatisch, Kurmanci, Makedonisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Slowenisch, Serbisch, Spanisch, Tamil, Türkisch und Vietnamesisch. Hierfür stellt das Land Lehrerstellen zur Verfügung. Viele Personen, Behörden und andere Einrichtungen arbeiten daran, die Qualität des herkunftssprachlichen Unterrichts zu sichern und unterstützen damit die Lehrerinnen und Lehrer, auf die es hierbei am meisten ankommt.
Wesentlicher Bestandteil der Neuorientierung in Nordrhein-Westfalen sind u.a. Kernlehrpläne sowie Steuerungskonzepte, die sicherstellen, dass Landesmittel i.d.R. nur auf der Basis von Zielvereinbarungen und Controlling zur Verfügung gestellt werden. Der Unterricht mit Migrantenkindern dient dem Ziel, ihre soziale Integration zu fördern und ihre Schulleistungen zu verbessern. Dieses Ziel wird zukünftig am Output, also der überprüfbaren Wirksamkeit der eingesetzten Stellen, gemessen werden. Diese Neuorientierung bezieht den He4rkunftssprachlichen Unterricht ausdrücklich ein und entspricht den anderen eingeleiteten Reformen im Schulbereich.
Mit dem im Jahr 2006 erscheinenden "Kernlehrplan Muttersprachlicher Unterricht sowie Muttersprache anstelle einer Fremdsprache für die Klassen 7 - 10" und der obligatorischen Sprachprüfung am Ende des Besuchs des herkunftssprachlichen Unterrichts gewinnt der innerschulische Diskurs über Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle auch im herkunftssprachlichen Unterricht und über dessen Referenzverhältnis zu anderen Fächern an Substanz.
Die Sprachprüfung im herkunftssprachlichen Unterricht, die nicht verwechselt werden darf mit der Feststellungsprüfung für Seiteneinsteiger, die das Ministerium für Schule, Jugend und Kinder im Rahmen der über die Ausbildung in der Sekundarstufe I (Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Sekundarstufe I[(APO-S I]) eingeführt hat, dient der Berücksichtigung der Leistungen in einer nicht-deutschen Herkunftssprache bei den Schulabschlüssen.
Das Berufsgrundschuljahr vermittelt eine berufliche Grundbildung und führt zu In Nordrhein-Westfalen wächst ein erheblicher Anteil der Schülerinnen und Schüler aus Migrantenfamilien in zwei oder mehreren Sprachen auf. Diese sprachliche und kulturelle Vielfalt ist kein zeitlich befristetes Phänomen, sondern ein Merkmal moderner Gesellschaften in Europa. Europa selbst ist mehrsprachig und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europarates haben wiederholt und auf höchster Ebene politische Bekenntnisse zur Wahrung und Förderung sprachlicher und kultureller Pluralität abgelegt. Die EU-Richtlinie über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern verpflichtet die Mitgliedsstaaten, den herkunftssprachlichen Unterricht zu fördern.
Nordrhein-Westfalen hat mit seinem Unterricht für zwei- und mehrsprachig aufwachsende Schülerinnen und Schüler im letzten Jahrzehnt ein doppeltes Ziel verfolgt: Schulische Angebote (vor allem in Deutsch als Zweitsprache) sind darauf gerichtet, Schülerinnen und Schüler, die Deutsch nicht als erste oder Herkunftssprache erworben haben, so schnell und so gründlich wie möglich in den deutschsprachigen Regelunterricht zu integrieren.
Zugleich sind die Unterrichtsangebote zum Erhalt und zur Weiterentwicklung von Mehrsprachigkeit sowie zur kulturellen Orientierung in einer für die jungen Menschen komplexen kulturellen Wirklichkeit an die Bedürfnisse von heute angepasst worden. Dazu gehört auch der herkunftssprachliche Unterricht (HSU).
Der HSU ist ein Angebot des Landes. Er steht unter dessen Schulaufsicht. Dies gewährleistet eine schulische Erziehung, die sich an den Werten einer demokratisch verfassten Gesellschaft orientiert und möglichst eng an das Unterrichtsgeschehen in anderen Fächern und Lernbereichen anknüpft. Der Landtag hat dieses bildungspolitische Konzept wiederholt geprüft, erörtert und über die Fraktionen hinweg einvernehmlich positiv gewürdigt.
Im HSU werden zwei- oder mehrsprachig aufwachsende Schülerinnen und Schüler zu Kenntnissen und Fähigkeiten in vielen Sprachen geführt. Damit werden sprachliche Ressourcen und interkulturelle Handlungskompetenzen für eine exportintensive Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen gewonnen, die ein Fremdsprachenunterricht in dieser Qualität nicht oder nur mit erheblich höherem Mitteleinsatz herstellen könnte.
Die bisher in diesem Bereich geschaffenen hohen Standards, die als ein Teil der allgemeinen Qualitätssicherung des Unterrichts gelten, werden in der Bundesrepublik und in Ausland stark beachtet. Außerdem ist damit bei einem hohen Anteil der Eltern ausländischer Herkunft Vertrauen in das deutsche Regelschulsystem geschaffen worden, die diese Unterrichtsangebote für ihre Kinder schätzen und unvermindert annehmen.
Inzwischen ist Staatsangehörigkeit kein Kriterium mehr für die Teilnahme am HSU. Entscheidend ist, dass die Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Sprache als Deutsch aufwachsen. Es gibt auch keinen nach Herkunftsländern getrennten Unterricht, sondern allein Angebote in der jeweiligen Sprache. Obwohl die Teilnahme am Unterricht freiwillig ist und obwohl dieser Unterricht zusätzlich zum Regelunterricht, häufig am Nachmittag, stattfindet, nehmen seit über dreißig Jahren Tausende von Schülerinnen und Schüler daran teil.
Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) [1] bietet eine gemeinsame Basis für die Entwicklung von zielsprachigen Lernplänen, curricularen Richtlinien, Prüfungen, Lehrwerken usw. in ganz Europa. Dabei beschreibt er Kenntnisse und Fertigkeiten, die Lernende entwickeln müssen, um kommunikativ erfolgreich zu handeln. Er berücksichtigt dabei auch den kulturellen Kontext, in den Sprache eingebettet ist.
So werden vier Lebensbereiche beschrieben (privater Bereich, öffentlicher Bereich, beruflicher Bereich, Bildungsbereich) [2], die für die Sprachverwendung relevant sind. Darüber hinaus definiert er sechs Kompetenzniveaus für Sprachenlerner, die Lernfortschritte vergleichbar und transparent erfassen.
Die Modelle zur Beschreibung sprachlicher und kultureller Kompetenzen des GeR sind Grundlage des Kernlehrplan für die Klassen 7 bis 10 und somit auch für die Anspruchsebenen bei der Sprachprüfung. Für den herkunftssprachlichen Unterricht muss aber ergänzend die besondere Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen als Migranten beschrieben werden.
Von denjenigen Schülerinnen und Schülern, die den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 anstreben, werden Kompetenzen erwartet, die mindestens der Kompetenzstufe A2 des GeR mit Anteilen von B1 entsprechen. Diese beziehen sich in Regel auf Umfang, Höhe, und Komplexität der in der Übersicht aufgeführten Anforderungen.
Die Schülerinnen und Schüler, die den Hauptschulabschluss anstreben, können schon aufgrund der kürzeren Unterrichtszeit nur Teile der beschriebenen Kompetenzen [3] erreichen.ihre Vollzeitschulpflicht (zehn Jahre) erfüllt haben und über den Hauptschulabschluss bzw. einen gleichwertigen Abschluss verfügen oder das Berufsorientierungsjahr erfolgreich besucht haben.
[1] Europarat, Rat für kulturelle Zusammenarbeit: Gemeinsamer
europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Hg. v. Goethe Institut Inter Nationes, der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik
Deutschland (KMK), der Schweizerischen Konferenz der Kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) und dem österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (BMBWK). Berlin,
München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt 2000.
[2] A.a.O., S. 52f. Der Bereich der Teilhabe am öffentlichen Leben wird in diesem KLP dem Bereich der persönlichen Lebensgestaltung zugerechnet. [3]
S. Kap. 4 des KLP 7-10: